Forschungsprogramm

Ziele der Graduiertenschule

Die forschungsleitende Fragestellung der Graduiertenschule gründet in der Diagnose einer gegenläufigen, nicht selten auch widerstreitenden Bestimmung des Lebensphänomens, die sich in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Theoriekonzepten findet und zu Verwerfungen in der Bestimmung des Lebens führt. Auf der einen Seite erscheint ‚Leben’ im weitesten Sinne als Gegenstand von Merkmalsbestimmungen, als Fall von Verhaltensregelungen oder als Objekt von Eingriffen; auf der anderen Seite wird über das Leben als Grundlage von Entwicklungsperspektiven, als Voraussetzung von Handlungsentwürfen oder als Prinzip von Erlebnishorizonten gesprochen. Beide Hinsichten, die in der gegenwärtigen Diskussion in Konflikt geraten, lassen sich nicht dadurch versöhnen, dass sie auf verschiedene Gegenstandstypen bezogen werden, wie beispielsweise Körper und Geist.
Demgegenüber wird in der Graduiertenschule ein anderer Weg beschritten: Die verschiedenen Hinsichten lassen sich dadurch verstehen und auflösen, dass der jeweilige Fluchtpunkt der Beschreibung gefasst wird. Im ersten Fall sind es Kategorien wie z.B. Vollständigkeit, Abgeschlossenheit oder Totalität, die die Untersuchung leiten; im zweiten Fall sind es die Kategorien der Offenheit, der Veränderbarkeit oder der Variabilität, die den Bezugsrahmen der Diskussion bilden.
Die Graduiertenschule erschließt die zeitgenössische Diskussion von diesem Ansatzpunkt aus, um sie zu strukturieren und zu analysieren. Von dieser Grundlage aus sollen im Anschluss daran mit den Begriffen Gestaltung, Kreativität und Bildung Kategorien diskutiert werden, die dem diagnostizierten Konflikt entgehen und eine adäquate Beschreibung des Lebens jenseits des angesprochenen Zwiespalts ermöglichen.
Vor dem Hintergrund dieser Diagnose und der skizzierten Forschungsidee, lassen sich im Einzelnen drei Aufgabenstellungen unterscheiden, die die Arbeit der Graduiertenschule im Ganzen betreffen und sowohl theoretisch als auch praktisch von einem besonderen Interesse sind:
Erstens wird in der Graduiertenschule die Aufgabe verfolgt, die impliziten Begriffssysteme in den unterschiedlichen Wissenschaften, die sich dem Leben widmen, zu extrahieren, zu diskutieren und auf ihre Reichweite hin zu prüfen. Damit bündelt und systematisiert die Graduiertenschule die unterschiedlichen Zugänge zum Lebensphänomen, die in den verschiedenen Diskussionskontexten thematisch werden. Zweitens ist es das Bestreben der Graduiertenschule, diejenigen Kategorien systematisch neu zu fassen, die die gegenläufige Tendenz von Fixierung und Variabilität unterlaufen bzw. umgehen, um Leben als einheitliches Phänomen adäquat zu fassen: Hierzu zählen u.a. die Kategorien der Gestaltung, der Kreativität oder der Bildung. Drittens ist es das Ziel der Graduiertenschule, Handlungsoptionen für aktuelle Probleme zu diskutieren, an denen die Krise der Beschreibung des Lebensphänomens zutage tritt. Dazu gehören beispielsweise Fragen des sogenannten ‚Enhancements’ aber auch Fragen im Umgang mit der Umwelt.
In diesem Sinne eröffnet der Ansatz der Graduiertenschule ein Raster an Perspektiven, die durch die Kategorien Gestaltung, Kreativität, Bildung integrativ strukturiert werden:

1. ‚Leben’ als Herausforderung der ethischen Reflexion durch technische und gesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne der Modifikation von Lebensprozessen.

2. ‚Leben’ als Herausforderung der Kreativität im Sinne des Umgangs mit Neuem und Unerwartetem.

3. ‚Leben’ als Herausforderung der Formung des Lebens im Sinne des Lebens als Bildungsprozess.